Xxv. §. 5. Der wachsende Unglaube unter Friedrich Ii. 381
demüthigung eines armen Sünders vermochte er nicht sich zu finden,
Buße zu thun, dazu hätte er nie sich Herbeigelaffen. War es ihm doch
schon überaus schwer, auch nur einen äußerlichen Fehler einzustehen.
Da er aber nicht in bußfertigem Glauben herzunahen wollte zu Gott,
so konnte sich auch Gott nicht herzunahen zu ihm, er trat ihm je län-
ger desto ferner. Seine französischen Studien, Gewöhnung und Tisch-
gesellschaft rissen ihn vollends auf die andere Seite. Die Zweifel, die
Verunglimpfungen, die Späße und Spöttereien wider die geheimniß-
vollen und majestätischen Wahrheiten des Christenthums wurden im-
mer stärker, das unparteiische Stehen über den Parteien, dessen
Friedrich sich rühmte, wurde immer mehr ein Stehen wider die
Wahrheit; der Grundsatz ungöttlicher Toleranz: hier muß ein Jeder
nach seiner Fayon selig werden, schlug immer wieder in den andern
um: die Mucker, die Pietisten, die Fasen (so nannte der König die
frommen Christen) sind sorgfältig niederzuhalten, denn sie sind Heuchler
und Streithähne. Welch einen gefährlichen niederschlagenden Eindruck
mußte diese Wahrnehmung aus das ganze Land, auf ganz Deutschland
machen! Der bewunderte, gepriesene, angebetete Monarch war kein
Christ, verachtete und verspottete die höchsten Heiligthümer des Chri-
stenthums, und war und blieb doch der große Friedrich, der herr-
lichste, der unvergleichliche Monarch seines Jahrhunderts. Dem Mör-
der und Lügner von Anfang war's sicherlich kein kleiner Triumph,
diesen gefeierten Helden mit dem Auswurf des französischen schöngei-
stigen Pöbels umgeben zu haben, mit so gemeinen Seelen wie Vol-
taire, Maupertuis, la Mettrie u. s. w., Menschen, welche der
König selbst in tiefster Seele verachtete, deren witzige Unterhaltung er
aber doch nicht missen konnte. Aus diesem Giftgefäß, welches die
Franzoseurotte am königlichen Hofe unaufhörlich mit neuem Gebräu
füllte, wurde nun der ganze Hof und Adel, Ritterschaft und Beamten-
welt, Stadt und Land besprengt und mit freigeistischen Ideen erfüllt.
In den Kriegszügen ging der gemeine Soldat mit Friedrich auf du
und du um, wie manches vertrauliche Wort ging da von Mund zu
Mund, welch ein Prediger hätte Friedrich seinen Soldaten, seinem
Lande sein können; ja leider er war es auch, aber ein Prediger des
Unglaubens. So sehr er auch an sich hielt, so wenig er auch als ein
Widersacher des Christenthums erscheinen wollte, so konnte er doch seine
wahre Gesinnung nie verbergen. Die Gottesdienste, die Betstunden,
die Andachten. die kräftigen Kirchenlieder auf dem Marsche — da der
König sich nicht dafür interessirte, schlief Alles ein, und zu spät erkannte
er, daß seine Armee nicht mehr das leiste wie vormals, weil sie nicht
mehr den Glauben habe wie vormals.
Weithin durch das ganze Vaterland hallten die Preisgesänge, die Kriegs-
und Siegeslieder zu Friedrich 's Ehren. Man mag wohl sagen, Fri ed-
rich's Thaten haben die neuere deutsche Poesie erst aus ihrem Schlaf ge-
weckt. Erst da fanden die Dichter einen großen vaterländischen Stoff, den
sie mit Lust und Begeisterung behandeln konnten. Gleim voran, der alte
Grenadier, Uz, Ra ml er und wie die Namen weiter lauten, sie
sangen Friedrich's Ruhm, aber sie sangen glaubenslos, wie ihr Held
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Ii Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Maupertuis Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich_'s Friedrich
Xxv. §. 9. Deutschlands Elend, Schmach und Knechtschaft. 613
habe zum festen Kern und Mittelpunkt und Führer der protestan-
tisch en Hälfte, nachdem nun einmal Deutschland in die zwei Kirchen-
hälften zertheilt worden war. Wie thätig hatte sich noch Friedrich
der Große der allgemeinen deutschen Angelegenheiten angenommen.
Seine letzte politische That war die Stiftung des deutschen Fürsten-
bundes gewesen. Auch sein Nachfolger Friedrich Wilhelm Ii.
(1786—97) war anfangs in denselben Spuren fortgegangen. Er
hatte keinen Augenblick gezögert, sick dem großen Bunde aller deut-
schen und fremden Grenznachbaren Frankreichs auzuschließen, er hatte
tapfer für die Erhaltung der überrheinischen Besitzungen gekämpft.
Aber plötzlich sehen wir seinen Eifer, seine Kraft erlahmen. Sein
Blick wurde von dem vor seinen Augen stolzierenden Feind, von dem
Elend der unterliegenden deutschen Brüder, ja seiner eignen (klevi-
schen) Nnterthanen abgewendet und rückwärts gezogen nach Polen
hin, um die dort winkende reiche Beute sich nicht entgehen zu lassen.
Er schloß mit Frankreich Frieden 1795, um seine Armeen über Po-
len auszubreiten, um das gefährliche Geschenk anzunehmen, womit
Rußland Preußens Zustimmung zur völligen Vernichtung des Polen-
reichs erkaufen wollte. Wie hat Napoleon diese ungerechte Beute
den Preußen 1806 so schmählich und schmerzlich aus den Händen
gerissen. Auf Friedrich Wilhelm Ii. folgte sein Sohn, dieses
Namenö der Dritte. Mit Wehmuth sah er es, sah seine edle hoch-
gesinnte Gemahlin Louise es, wie das westliche und südliche Deutsch-
land fort und fort unter der Geißel des französischen Treibers blute-
ten, sah eö, wie jenseits der Demarcations- oder Friedenslinie, die
der baseler Friede quer durch Deutschland gezogen, jede Art von Un-
gerechtigkeit, Gewaltlhat, Erpressung, Heiligthumsschändung durch die
frevelnden Franzosen Tag für Tag erneuert wurde. Er sah eö und
sein Gerechtigkeitsgefühl empörte sich, er hörte die Seufzer und Weh-
klagen der gemißhandelten deutschen Brüder und seine Seele blutete
ihm, er fühlte und merkte es, wie man auf Preußen mit Haß, mit
Spott, mit Verachtung blickte, wie alle Ehre und Herrlichkeit, die es
von Friedrich's d es Gro ß en Ruhm ererbt hatte, zu Schanden wurden
und in ihr Gegentheil umschlugen. Er trug das bitterste Leid darüber
und schlug dennoch nicht los. Er hielt volle 10 Jahre mit unbeweg-
ter Hand den Frieden fest; auch dann noch, als Oestreich, auf das
der französische Adler sich nun allein geworfen, schon blutend am Bo-
den lag und mit letzter Kraft ohnmächtig ringend den ruhig zu-
schauenden Nachbar und Blutsverwandten zu Hülse rief. Friedrich
Wilhelm Ui. hielt unerschütterlich an dem Grundsatz fest, daß nur
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Napoleon Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Gro_ß Oestreich Friedrich
Wilhelm Friedrich Wilhelm
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